Ich möchte eine ganze Seite der Hautklinik widmen, welche sich meiner Haut und meinem Leiden auf eine ganz andere Art und Weise genähert hat. Hier wird nämlich die so berühmte Nadel im Heuhaufen gesucht – und das mit der ganzen Erfahrung und Leidenschaft der behandelnden Ärzte.
Das Fachkrankenhaus für Dermatologie Schloss Friedensburg hat seinen Sitz im tiefsten Thüringen tatsächlich mitten im Wald oben auf einer Burg. In der DDR als Ministerialsitz genutzt, wurde es in den 1990ern noch einmal saniert und zu einem Krankenhaus umgestaltet. Der Burgcharakter, der altertümliche Charme im Inneren, die Abgeschiedenheit auf dem Berg sowie die relativ neutral eingerichteten Zimmer lassen aber zwischenzeitlich vergessen, dass es sich um ein Krankenhaus handelt. In der Hautklinik werden neben der Neurodermitis auch alle anderen Hautauffälligkeiten und Allergiesymptomatiken behandelt wie Schuppenflechte, Akne oder die Weißfleckenkrankheit Vitiligo. Den größten Anteil der Betroffenen machten aber die Patienten mit atopischen Ekzemen aus.
Da es sich um ein (Akut-)Krankenhaus handelt, reicht es, eine Einweisung fürs Krankenhaus vom Hautarzt zu bekommen. Das hat vor allem den Vorteil, dass man relativ schnell in der Klinik aufgenommen wird, da nicht erst ein Kuraufenthalt von der Krankenkasse genehmigt werden muss.
Diese Hautklinik hat sich zum Ziel gesetzt, den Menschen in seiner Gesamtheit zu betrachten und auf den Einsatz von Kortison und Immunsuppressiva vollständig zu verzichten. Es vertraut auf den Einsatz von Naturheilverfahren, greift aber bei bestimmten Aspekten auch auf die Schulmedizin zurück.
Hautklinik Schloss Friedensburg in Leutenberg: Was passiert da wirklich?
Die Eingangsuntersuchungen
Also erst einmal werden alle möglichen inneren Auslöser abgeklärt. Urin- und Stuhlproben sowie mehrere Ampullen Blut werden zum Labor geschickt. Hier soll geschaut werden, ob zum Beispiel Darmpilze oder Parasiten ihr Unwesen treiben, ob sich Allergien auf Nahrungsmittel oder andere Auslöser zeigen oder ob ein Mangel an Nährstoffen und/oder Vitaminen herrscht. Des Weiteren werden Abstriche vom Rachen und von den entzündesten Körperstellen genommen.
Die erste Woche hieß es vor allem: warten und cremen. Am Anfang cremte man sich vor allem mit dem „Zaubermittel“ ZINK. Zink in allen möglichen Konzentrationen, von oben bis unten. Es beruhigt zunächst vorrangig die Entzündungen und die überschießenden Reaktionen der Haut.
Das Cremen und Salben stellt eine wichtige Säule, nämlich der äußerlichen Anwendung, dar. Damit man sich nicht vollkommen einsaut, bekommt man weiße Baumwollunterwäsche (Oberteil und Hose), die die überschüssigen Cremes am Körper aufnehmen und in Kontakt mit der Haut belassen.
Der Salbenraum
Es gibt einen Salbenraum für Männer und einen für Frauen mit großen Töpfen und Flaschen, Spachteln und anderen Utensilien. Die Cremes wurden durch jahrelange Zusammenarbeit mit den Ärzten und der ortsansässigen Apotheke Leutenberg entwickelt und extra hergestellt. Auf einer persönlichen Salbenkarte notiert der Stationsarzt die Cremes und Salben, und vor allem wie oft am Tag diese aufzutragen sind.
Zugegeben, im Salbenraum muss man Eitelkeiten und Scham nach ein paar Tagen ablegen. Denn, und das wirst du ganz schnell sehen, allen hier geht es schlecht und alle sehen scheiße aus – um es einmal drastisch auszudrücken. Allerdings gibt es dir auch ein wenig das Gefühl, dass du in bester verständnisvoller Gesellschaft bist, dass es immer noch schlimmer geht und dass man rechtzeitig den Schritt mit dem Aufenthalt in der Hautklinik gewagt hat. Zu Hause denkt man ja oft, man sei der einzige Mensch mit diesen furchtbaren Problemen und hier trifft man tatsächlich auf Gleichgesinnte. Die Meisten hier kratzen sich und das schweißt, wenn man sich ein wenig auf die Gemeinschaft einlässt, auch zusammen.
Die Visite
Jeden Morgen nach dem Frühstück kommt der Stationsarzt aufs Zimmer zur Visite. Einmal in der Woche hat man darüber hinaus auch Besuch von der Chefärztin, Frau Dr. Herold (mit der man übrigens einen Tag vor der Entlassung auch ein wirklich persönliches Abschlussgespräch führt), oder von einer der beiden Ernährungsberaterinnen. Womit wir zur nächsten tragenden Säule des Leutenbergs-Konzepts kommen: die Ernährung.
Das Essen
Jeder Patient bekommt am ersten Tag auf Schloss Friedensburg (je nach Schweregrad und Krankheitsbild) einen eigenen Kostplan, der im Laufe der Zeit etwas gelockert werden kann. Er basiert auch auf einem Ernährungstagebuch, das jeder Patient vor seiner Aufnahme führen und dann abgeben muss. Individuell wird festgelegt, ob man eine normale, histaminarme oder hypoallergene Kost bekommt und ob man z. B. auf Milchprodukte, Obst, Kräuter, Sojaflocken, Karotten, Fruchtaufstriche und so weiter verzichten muss. Der Kostplan muss bei der Essensausgabe mittags zur Kontrolle vorgelegt werden. Das warme Essen wird ungewürzt gekocht, auf den Tischen stehen allerdings Salzstreuer. Salz wird als einziges Gewürz zugelassen. Das Essen darf man sich nicht als übermäßig schmackhaft vorstellen, da es halt auf ein Minimum an allergenem Potenzial heruntergedrosselt ist. Es gibt oft Kartoffeln, Reis, Nudeln, meist mit gekochtem Gemüse. Nachmittags besteht die Möglichkeit eines kleinen süßen Snacks. Dann gibt es Knäckebrot, Reiswaffeln oder Brot mit Butter und einem Fruchtaufstrich. Der Fruchtaufstrich ist zucker- und süßkramtechnisch auch das Einzige, was man in der Hautklinik bekommt.
Nach der ersten Woche
Wenn nach und nach die ersten Befunde von den Ärzten bei der Visite eintrudeln, wird es spannender und man hat das Gefühl, dass Bewegung in die Sache kommt. Neben den Cremes bekommt man dann je nach Ergebnis Tabletten, z. B. gegen einen Darmpilz, oder Nahrungsergänzungsmittel bei Hinweisen auf einen Mangel. Je nach Heilungsgrad der Haut wird nun auch öfter die Creme oder die Salbe gewechselt. Ist die Haut weniger gerötet, wird der Zinkgehalt nach und nach zurückgeschraubt und andere Wirkstoffe kommen ins Spiel. Jeden Tag berichtet man so, ob die Creme gut oder eher mittelmäßig gut vertragen wird. Um darüber Aussagen treffen zu können, kann es daher sein, dass teilweise alle zwei Stunden bzw. drei- bis fünfmal täglich gecremt werden muss.
Welche Angebote gibt es in der Hautklinik?
Es gibt jeden Tag eine Möglichkeit zur Erlernung verschiedener Entspannungstechniken wie autogenem Training, Atemmeditation oder progressiver Muskelrelaxion. Zweimal die Woche geht man zur Sauerstofftherapie und zur Tiefenentspannung. Bei Bedarf kann man auch einen Termin bei der Psychologin im Haus haben. Der psychologische Aspekt sowie der Stressfaktor sollten gerade bei Neurodermitikern nicht vernachlässigt werden. Auch nach dem Aufenthalt in der Hautklinik ist es ratsam, die erlernten Techniken weiter zu praktizieren. Kinder werden bei den Visiten morgens vorrangig behandelt und können anschließend in eine extra in der Burg untergebrachte Betreuungsstätte zum Spielen gehen. Auf jedem Zimmer gibt es einen Fernseher. In einem der großen Aufenthaltsräume befinden sich außerdem ein Klavier und eine Musik- und Videoanlage. Dort kann man sich abends auch treffen, um Filme zu schauen. Wenn man das Gelände der Burg beispielsweise für einen Spaziergang im Wald verlassen möchte, sollte man sich in einer ausgelegten Liste abmelden.
Was sollte man sonst noch wissen?
Ein Großteil der Assistenzärzte war, als ich dort war, erst seit wenigen Jahren in Deutschland, was die Kommunikation manchmal etwas erschwert hat. Allerdings hatte ich nie das Gefühl, dass wir aneinander vorbeireden oder Dinge nicht berücksichtigt wurden. Die Zimmer sind im Großen und Ganzen vollkommen in Ordnung. Die Mehrzahl der Zimmer sind Zweierzimmer. Sie unterscheiden sich teilweise ziemlich in der Größe, je nachdem, in welchem Teil der Burg sie sich befinden. Ich war mit meiner Zimmerkollegin zum Beispiel in einem der kleineren Zimmer untergebracht. Da muss man sich halt irgendwie arrangieren und versuchen, keinen Lagerkoller zu bekommen. Das Zimmer wird jeden Tag durchgewischt, die Bettwäsche einmal in der Woche gewechselt. Am ersten Tag bekommt man neben der Baumwollunterwäsche auch ein Stück Kernseife zum Duschen und je nach Erkrankung ein passendes Shampoo. Einmal in der Woche muss man außerdem zum Blutdruckmessen und zum Wiegen. Zu Dokumentationszwecken werden zu Beginn, in der Mitte, und am Ende deines Aufenthalts Fotos von dir gemacht. Die kann man sich vor der Abreise auch auf einem USB-Stick mitgeben lassen und meist kann man wirklich tolle Entwicklungen und Verbesserungen sehen.
Für mich war dieser Klinikaufenthalt eine kleine „Revolution“. Ich bin nicht geheilt und auch nicht komplett beschwerdefrei. Aber die Ärzte haben mir dort so viele Erkenntnisse geliefert, die ich sonst wahrscheinlich nie erfahren hätte. Auch wenn sich meine Beschreibungen zunächst etwas gruselig anhören mögen (und ich auch am Anfang kurz gedacht habe, dass ich wieder nach Hause möchte), kann ich dir sagen, dass man dort mit der Zeit hineinwächst. Man muss sich eben auf die ungewohnte isolierte Situation einlassen und das Vertrauen haben, dass die Ärzte nur das Beste für einen wollen. Dann kann man dort nur gewinnen und jede Menge Dinge für sich mitnehmen. Und es ist auch sehr viel wert zu wissen, dass man bei Verschlechterungen immer wieder dorthin zurück kann und man Ansprechpartner fürs Leben gewonnen hat.
Hinweis: Ich war 2016 in Leutenberg. Mein Aufenthalt hat 3,5 Wochen gedauert, das war so die Durchschnittszeit dort. Natürlich können sich in der Zwischenzeit eine Menge Dinge geändert haben. Falls du zufällig in letzter Zeit dort warst, schreib mir mal, wenn Dinge in diesem Beitrag nicht mehr aktuell sind. Wenn du überlegst, nach Leutenberg zu gehen, dir aber dringende Fragen auf der Seele brennen, kannst du mir auch gerne schreiben.